In Deutschland werden die Rufe nach mehr Transparenz bei der Preisgestaltung von Lebensmitteln immer lauter. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat eine Machbarkeitsstudie veröffentlicht, die zeigt, dass eine Preisbeobachtungsstelle im Lebensmittelsektor umsetzbar ist. Angesichts der seit 2021 um fast 33 Prozent gestiegenen Lebensmittelpreise fordert der vzbv dringend die Einrichtung einer solchen Stelle, um unfaire Preispraktiken aufzudecken und für faire Bedingungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu sorgen.
Hohe Lebensmittelpreise und ihre Folgen
Seit Beginn der hohen Inflation im Jahr 2021 sind die Lebensmittelpreise in Deutschland deutlich schneller gestiegen als die Reallöhne vieler Arbeitnehmer. Diese Preissteigerungen, die nicht vollständig durch höhere Produktionskosten erklärt werden können, belasten die Verbraucher erheblich. Besonders problematisch ist, dass die gestiegenen Verbraucherpreise nicht bei den Erzeuger ankommen. Im Jahr 2022 erreichten beispielsweise von einem Euro, der im Lebensmitteleinzelhandel ausgegeben wurde, im Durchschnitt nur 25 Cent die Erzeuger.
Die Lebensmittelpreise in Deutschland sind somit zu einer „Blackbox“ geworden, in der unklar bleibt, wie sich die Preise zusammensetzen und wer die größten Gewinne einstreicht. Eine Preisbeobachtungsstelle könnte hier für mehr Transparenz sorgen und sicherstellen, dass Verbraucher nicht übermäßig belastet werden, während Unternehmen der Lebensmittelindustrie unverhältnismäßig hohe Gewinne erzielen.
Umsetzung einer Preisbeobachtungsstelle in Deutschland
Das Gutachten der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI), das im Auftrag des vzbv erstellt wurde, legt dar, wie eine Preisbeobachtungsstelle in Deutschland aussehen könnte. Diese soll Preise und Kosten entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette – von der Erzeugung bis zum Supermarktregal – erfassen. Dabei ist es entscheidend, dass die Preisbeobachtungsstelle unabhängig, objektiv und fachlich kompetent arbeitet. Um bestehende Datenlücken zu schließen, müssen möglicherweise neue Meldeverordnungen eingeführt werden. Der vzbv schlägt vor, die Preisbeobachtungsstelle bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) anzusiedeln, da dort bereits relevante Strukturen und Ressourcen vorhanden sind.
Die Preisbeobachtung soll zunächst auf frische, wenig verarbeitete Grundnahrungsmittel fokussieren, die eine geringere Preisvolatilität aufweisen, und könnte später auf weitere Produktgruppen ausgeweitet werden. Die Ergebnisse dieser Beobachtungen sollen jährlich dem Bundestag vorgelegt werden, um auf Basis dieser Daten politische Maßnahmen zu formulieren und die Wettbewerbssituation im Agrar- und Lebensmittelmarkt zu verbessern.
Relevanz für Österreich
Diese Entwicklungen in Deutschland werfen auch für Österreich wichtige Fragen auf. Der Lebensmittelsektor in Österreich steht vor ähnlichen Herausforderungen: Regionale Fleischereien und andere Produzenten geraten zunehmend unter Druck, da sie mit den niedrigen Erlösen, die der Lebensmitteleinzelhandel ihnen zahlt, kaum überleben können. Gleichzeitig steigen die Preise für Verbraucher weiter an, ohne dass die Preisbildung transparent ist.
Alfred Staudinger, erfahrener Branchenkenner und Berater, warnte kürzlich in einem flammenden Appell vor den drohenden Insolvenzen familiengeführter Fleischverarbeiter in Österreich. Er betont, dass diese Unternehmen ihre steigenden Kosten nicht mehr in den Produktpreisen unterbringen können, was nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch die Versorgung Österreichs mit heimischen, regionalen Lebensmitteln in Gefahr bringt. „Die großen Handelsketten, unterstützt durch die Politik, müssen nun mit den Produzenten zusammenarbeiten, um wieder zu einer Win-Win-Situation zu gelangen,“ fordert Staudinger. Wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, droht eine Welle von Insolvenzen, die das Ende vieler traditioneller Familienbetriebe und somit der regionalen Lebensmittelversorgung in Österreich bedeuten könnte.
Eine Preisbeobachtungsstelle könnte auch in Österreich dazu beitragen, mehr Transparenz in die Preisgestaltung zu bringen und faire Bedingungen entlang der Wertschöpfungskette zu schaffen. Es wäre denkbar, dass eine solche Institution in Österreich ähnliche Strukturen und Daten nutzt, wie sie in Deutschland vorgeschlagen werden. Zudem könnte Österreich von den bereits existierenden Preisbeobachtungsstellen in anderen europäischen Ländern, wie dem französischen Observatoire de la formation de prix et des marges des produits alimentaires oder dem spanischen Observatorio de la Alimentaria, lernen.
Im Überblick: Inflation und Lebensmittelpreise in Österreich und Deutschland
Um die Inflation und die Entwicklung der Lebensmittelpreise in Deutschland und Österreich der letzten Jahre gegenüberzustellen, betrachten wir die offiziellen Daten aus beiden Ländern.
Jahr | Deutschland – Inflationsrate | Deutschland – Lebensmittelinflation | Österreich – Inflationsrate | Österreich – Lebensmittelinflation |
---|---|---|---|---|
2021 | 3.1% | 6.0% | 2.8% | 5.4% |
2022 | 7.9% | 13.4% | 8.6% | 12.1% |
2023 | 5.9% | 12.4% | 6.8% | 10.7% |
2024 (Schätzung) | 3.2% | 6.8% – 7.2% | 3.5% | 7.0% – 7.5% |
Vergleich Deutschland und Österreich
- Allgemeine Inflationsraten: Beide Länder erlebten in den letzten Jahren erhebliche Inflationsschübe, insbesondere 2022, bedingt durch eine Vielzahl von Faktoren wie gestiegene Energiepreise, Lieferkettenprobleme und geopolitische Spannungen. Deutschland und Österreich weisen ähnliche Inflationsmuster auf, mit leichten Abweichungen in den jährlichen Raten.
- Lebensmittelpreise: Die Lebensmittelinflation in beiden Ländern überstieg die allgemeine Inflationsrate deutlich. In beiden Ländern waren die Lebensmittelpreise 2022 und 2023 besonders stark von Preissteigerungen betroffen. Während die prozentualen Anstiege in beiden Ländern vergleichbar sind, lagen die Preissteigerungen in Österreich im Jahr 2022 geringfügig höher als in Deutschland.
In beiden Ländern waren die Steigerungen der Lebensmittelpreise deutlich höher als die allgemeine Inflation, was darauf hindeutet, dass Verbraucher in beiden Ländern mit erheblichen Mehrkosten für Nahrungsmittel konfrontiert waren. Aber: Österreichische Verbraucher zahlen im Durchschnitt mehr für Lebensmittel als ihre deutschen Nachbarn. Dies liegt an einer Vielzahl von Faktoren, darunter unterschiedliche Mehrwertsteuersätze, Produktionskosten und der Wettbewerb in den Märkten. Preisvergleiche zeigen, dass insbesondere Grundnahrungsmittel und Fleischprodukte in Deutschland günstiger sind. Trotz der höheren Preise in Österreich wird jedoch betont, dass die Qualität und Regionalität der Produkte in Österreich oft als höher wahrgenommen wird.
Starke Steigerung der Lebensmittelpreise
Deutschland und Österreich haben in den letzten Jahren ähnliche Trends in Bezug auf Inflation und Lebensmittelpreise erlebt. Die starke Steigerung der Lebensmittelpreise in beiden Ländern verdeutlicht die Belastung für die Verbraucher, die über die allgemeine Inflation hinausgeht. Dies unterstreicht die Relevanz von Maßnahmen wie einer Preisbeobachtungsstelle, um für mehr Transparenz und Fairness bei der Preisgestaltung zu sorgen.
Die Einführung einer Preisbeobachtungsstelle könnte sowohl in Deutschland als auch in Österreich einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Lebensmittellieferkette zu stärken und faire Preise für Verbraucher und Erzeuger zu garantieren. Die österreichische Regierung sollte ernsthaft darüber nachdenken, dem deutschen Beispiel zu folgen und eine solche Institution zu etablieren, um die Transparenz im Lebensmittelsektor zu erhöhen und die regionale Lebensmittelversorgung langfristig zu sichern. Eine solche Maßnahme könnte das Vertrauen in die Lebensmittellieferkette stärken und sicherstellen, dass eine gesunde und ausgewogene Ernährung für alle leistbar bleibt.